Rangordnung und Dominanz

Rangordnung und Dominanz ist ein unverzichtbarer Baustein in der Mensch-Hund-Beziehung

Wenn es um unerwünschtes Verhalten deines Hundes geht, steht immer am Anfang die Frage: Wer bin ich für meinen Hund und wie beeinflusst mein Hund meinen Alltag?

 

Rangordnung und Dominanz in der Familie

Naturgemäß (deshalb auch ein unverzichtbares Grundbedürfnis) lebt der Hund in einer Gruppe, die aus mehreren verschiedenen Gruppenmitgliedern, mit unterschiedlichen Ansprüchen, Interessen und Absichten, besteht. Unter freien Bedingungen ist diese Gruppe entweder ein stabiles Hunderudel oder ein lockerer Verband von Artgenossen, eine Zweckgemeinschaft, die sich aus Familienmitgliedern und/oder aus nicht familiären Mitgliedern zusammen setzt. Bei unseren (im Hausstand lebenden) Hunden bildet diese Gruppe, in der Regel, die menschliche Familie, die aus den Eltern, derer Kinder und anderen Familienmitgliedern besteht. Damit das Miteinander reibungslos ablaufen kann bedarf es Regeln und Strukturen, die von den Eltern, dem Hundehalter, bestimmt werden müssen.

Häufig wird die Notwenigkeit dieser Strukturen und Regeln unterschätzt oder sogar vermenschlicht gestaltet. Die Folge ist, dass dem Hund, kein, seiner Art verständlich und entsprechend erkennbarer Rahmen zur Verfügung steht, die ihm Sicherheit und einen festgelegten Platz innerhalb in der Familie vermitteln, was zu Verhaltensauffälligkeiten und zu dem sog. schwierigen Hund führt. Zu diesem Rahmen gehört vordergründig eine hierarchische Struktur, in der der Hundehalter die leitende Rolle einnimmt. Durch Missverständnisse und Fehlinterpretationen zum Thema Rangordnung und Dominanz entstehen immer wieder Konflikte und Stress-Situationen, die sich auch auf die Gesundheit von Mensch und Hund negativ auswirken.

Was ist Rangordnung und was Dominanz

Als Dominanz wird die soziale Hierarchie zweier Individuen bezeichnet. Wobei derjenige, der seine Bedürfnisse durchsetzt als dominant bezeichnet wird. Das Wort Bedürfnisse ist meistens mit dem freien Zugang zu Ressourcen gleichzusetzen und oft sind damit Besitzansprüche von Liegeplätzen, Territorien, Futter & Wasser, Sozial- und Sexualpartnern und die sogenannte Individualdistanz gemeint. Zu diesen Bedürfnissen zählen aber auch das Gefühl von Sicherheit und körperliche Unversehrtheit. Dominantes Verhalten ist von Selbstsicherheit und mentaler Stärke gekennzeichnet und wird zum Einen genetisch vererbt und zum Anderen durch die Umwelt geprägt und beeinflusst. Dominanzbeziehungen sind geschlechtsunabhängig, sowohl ein Rüde als auch eine Hündin kann das dominantere Tier sein. Wegen der besseren Lesbarkeit verzichte ich auf dieser Seite auf die Nennung beider Geschlechter. Mit Hund kann sowohl Rüde als auch Hündin gemeint sein. 

Rangordnung ist die Gesamtheit aller Dominanzbeziehungen innerhalb einer Gruppe, die zumindest für eine gewisse Zeit räumliche Nähe benötigt.

Dominanz unter Hunden

Dominanzbeziehungen unter Hunden (und auch in der Mensch-Hund-Beziehung) und demzufolge auch das Rangordnungsgefüge ist immer in Abhängigkeit von Ort und Situation und damit stets veränderlich bzw. als äußerst variabel zu betrachten. Deshalb ist es auch möglich, dass sich dein Hund in einem anderen Haushalt oder in einer bestimmten Hundegruppe ganz anders verhalten kann, als es sonst üblich ist. Ein dominanter Hund kann also in bestimmten Situationen eher nachgiebig sein und auf die Durchsetzung seiner Ressource verzichten. Das Wort Dominanz kann auch mit dem Wort Souveränität ausgetauscht werden. Souveränes Handeln beinhaltet Lebenserfahrung und so ist häufig ein älteres Tier das ranghohe Gruppenmitglied. 

In bestehenden Hunde-Gruppen sorgt der dominante Hund für das Einhalten der Regeln, er mischt sich in Konflikte ein, er sorgt für Ruhe und Ordnung und insbesondere für kontrollierte Bewegungsabläufe. Das sorgt für Sicherheit jedes einzelnen Gruppenmitgliedes, weshalb sich rangniedrigere Hunde gerne an einem Leittier orientieren und freiwillig anschließen. Aufgrund dessen benötigt ein souveräner Hund keine aggressiven Auseinandersetzungen, meist reicht ein ernster Blick oder ein kurzes Knurren, um die Ordnung und den Frieden wieder herzustellen. Dieses reibungsarme Miteinander kann als stabile Rangordnung bezeichnet werden, sie ist effizient, denn es verbraucht kaum Energie und erhöht somit die Überlebenschance für alle Gruppenmitglieder.

Was du tun kannst

Hat sich die Rangfolge bzw. das Dominanzverhältnis „verschoben“ oder noch gar nicht ausbilden können, so setzt man häufig auf die sogenannte Rangkorrektur. Das liest sich jetzt für dich vielleicht sehr althergebracht, sind doch derzeit Vokabeln wie Dominanz und Rangordnung vielerorts verpönt. Rangkorrektur ist praktisch unerlässlich, um für dich die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dir ein reibungsfreies Miteinander, sowohl mit deinem Hund als auch mit allen deinen Sozialkontakten, ermöglicht. Rang zeigendes Verhalten erkennst du gut, denn hauptsächlich geht es deinem Hund um den Zugang zu wichtigen Ressourcen. 

Einige Beispiele, bei welchen Ressourcen es zu Auseinandersetzungen kommen kann:
  • der Liegeplatz (unterm Tisch, im Bett, auf dem Sofa oder an der Haustür, Hund liegt im Türrahmen), der Liegeplatz ist im Übrigen für Hunde um ein vielfaches wertvoller als Nahrung,
  • Beute bzw. Spielartikel (Hund sichert mit seiner Pfote),
  • Fellpflege und Körperpflege (Missachtung der Individualdistanz),
  • territoriales Verhalten (Hund läßt keinen Besuch in die Wohnung).

ABER, nicht jeder Hund der im Türrahmen liegt bekräftigt damit seinen Status. Nämlich könnte dieser Hund auch alt und erkrankt sein und er liebt es einfach, weil im Türrahmen ein angenehmeres kühles Klima herrscht. So ist es auch, dass sich ein Hund mit Ohrenschmerzen nur ungern anfassen lassen möchte. Und nicht jeder „Couchpotato“ ist ein dominanter Hund. Hier muss klar nach der Motivation des Hundes geschaut werden. Solange du deinen Hund mit einer Geste „unterbrechen“ kannst, zum Beispiel wegschicken oder etwas wegnehmen, ist auch kein Handlungsbedarf notwendig.  

Einfache Übungen zur Rangkorrektur, die auf Hunde einschränkend wirken:
  • im „Fuß“ gehen, Sitz und Platz Übungen
  • ein Abbruchsignal, wie „Nein“ oder „Stopp“
  • den Hund auf seinen Liegeplatz schicken 
  • der Hund macht den Weg für dich frei
  • Kontaktunterbindung zu anderen Hunden und Menschen
  • das Futter entfernen (gilt nicht für Welpen und Junghunde!)
  • Übungen zur Erhöhung der Frustrationstoleranz
  • und Übungen zur Impulskontrolle

Diese Übungen sind grundsätzlich bekannt, es sind Standardübungen, die zu einem gut erzogenen Hund gehören und in der überwiegenden Zahl auch problemlos durchgeführt werden. Weil jedoch diese Übungen bei einer Rangkorrektur eine andere „Qualität“ haben, solltest du diese niemals ohne fachkundige Leitung durchführen. Werden diese Übungen bei einer Rangkorrektur nicht fachgerecht angewendet, verschlechtern sie u.U. die Beziehung zwischen dir und deinem Hund gravierend. Alternativ- oder Protestverhalten, wie Aggressionsverhalten oder das Markieren in der Wohnung, können die Folge sein. 

Gestik, Mimik und Körperhaltung

Im täglichen Umgang ist auch deine Gestik, Mimik und Körperhaltung entscheidend, ob du dich als souveränes Familienmitglied behaupten kannst. Denn deine Körpersprache transportiert deine innere Einstellung. Sie verrät Unsicherheit, Angst oder Mißtrauen. Hunde mit ihren feinen Sinnesleistungen erkennen sofort wer authentisch ist, deshalb kannst du deinem Hund nichts vormachen. Sich-seiner-Sache-sicher-sein, Trittfestigkeit, Standhaftigkeit und Konsequenz sind sozusagen Schlüsselqualifikationen. Auch deinen Hund bei Fehlverhalten angemessen maßregeln zu können gehört zu souveränen Handlungen.

Sich als Mensch imponierend darstellen kann zuweilen Wunder bewirken. Für deinen Hund verständliche Verhaltensweisen wären Imponierschieben, Abdrängeln  und Imponiertragen. Aber auch eine bewußte aufrechte Körperhaltung, die affektiv präsentiert wird, kann einen Hund sehr beeindrucken. 

Hunde lernen Sozialverhalten im Spiel

Besonders im Spiel kann soziales Verhalten beeinflusst werden. Weshalb sich spielen für’s Neu- und Umlernen bestens anbietet. Der Zugang zur Ressource Beute/Spielzeug kann geregelt werden, Besitzansprüche können spielerisch initiiert werden, ebenso wie mentale Stärke und Gelassenheit. Spiel in jeglicher Form und Dominanzbeziehungen gehören entsprechend unzertrennlich zusammen.

Regeln im Spiel
  • du als Hundehalter beginnst und beendest(überwiegend) das Spiel mit deinem Hund
  • Den Wettstreit nach der Beute gewinnst (überwiegend) du, nicht dein Hund
  • Dabei ist ein faires Spiel immer oberstes Gebot
  • Souverän sein heißt, dass der Hund auch gelegentlich gewinnen darf
  • Ein Spiel ist ausgelassen, zweckfrei und darf nicht für Machtkämpfe missbraucht werden
  • Spiel ist Wechselseitig
  • Erwartungen haben im Spiel nichts zu suchen (wirfst du einen Ball oder ein anderes „Spielzeug“ und erwartest, dass dein Hund den Ball zurück bringt, ist das kein Spiel sondern eine Lernaufgabe für deinen Hund)
  • Das Spielende immer positiv beenden, nie ein Spielabbruch initiieren, es sei denn es dient der Maßregelung

Souveräne  Hunde kümmern sich um die Einhaltung von Regeln

Bild 1: Spiel zweier Junghunde um ein Beutestück

Bild 2: Aus Spiel wird Ernst. Die Beute wird nicht mehr hergegeben und es werden Besitzansprüche erhoben.

Bild 3: Ein Altrüde schlichtet und sorgt damit für Ruhe unter den Junghunden.

Rangordnung
Rangordnung und Dominanz
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Tags: Bindung, siehe auch den Artikel von Dr. med. vet. Dunia Thiesen-Moussa