Aus Sicht des Hundes
Tauche ein in die fantastische Welt der Sinnesleistungen deines Hundes – Sehen
Die Dinge aus Sicht des Hundes zu sehen, lässt uns so mache Reaktion des Hundes ganz anders einschätzen. Den meisten Hundehaltern ist nicht bewusst, wie anders ihr Hund sehen kann. Zum allgemeinen Verständnis habe ich deshalb für dich einige wichtige visuelle Grundlagen zusammengefasst.
Da dein Hund vom Wolf abstammt, sind alle überlebenswichtigen Veranlagungen, die dem Wolf von Nutzen sind, natürlich auch bei deinem Hund zu finden. Grundsätzlich ist die visuelle Wahrnehmung aller Hunde wesentlich besser ausgeprägt als die der Akustik, da die visuelle Kommunikation gegenüber der Akustik einen höheren Stellenwert einnimmt. So wird ein Hund das verbale „Sitz“, mit einem zusätzlich gegebenen Sichtzeichen (üblicherweise bei „Sitz“ der erhobene Zeigefinger) schneller befolgen, als ohne das Sichtzeichen. Sehr deutlich wird dies bei einem Hund, der ein „Sitz“ noch nicht so gut beherrscht. Steht dann der Hund einige Zentimeter vor dem Hundehalter, so dass dieser meint, sein Hund könne ihn nicht sehen, passiert folgendes: Wird das verbale Signal „Sitz“ mit dem visuellen Signal, des erhobenen Zeigefingers, kombiniert, wird sich der Hund sichtlich schneller hinsetzen, da er visuelle Signale intensiver wahrnimmt als verbale Signale.
Aus Sicht des Hundes – Trainingstipp
Stell dich hin und schaue geradeaus auf einen bestimmten Gegenstand deiner Wahl. Halte zu diesem den Augenkontakt aufrecht und erhebe deine Arme seitlich waagerecht, so dass du deine Hände gerade noch in den Augenwinkeln erkennen kannst. Das, was du in dieser Position siehst, ist dein visuelles Gesichtsfeld. Drehe nun deine Arme so weit wie möglich in Richtung Rücken. So weit wie deine Arme reichen, reicht auch das Gesichtsfeld deines Hundes, nämlich ca. 240°. Je nach Hunde-Rasse bzw. Kopfform variiert dieses Sichtfeld. Somit kannst du sicher sein, dass dein Hund dich auch seitlich hinten stehend sehen kann.
Scharf sehen
Mit dem Scharfsehen ist es beim Hund grundsätzlich anders als bei uns Menschen. Unsere menschliche Linse ist u.a. mit einen Muskel (den Ziliarmuskel) verbunden, der durch Kontraktion(Zusammenziehen und Entspannung des Muskels) bewirkt, dass wir auf unterschiedlich nahegelegene Objekte die Sicht scharf einstellen können (variable Linsenkrümmung), was auch „Scharfstellung“ bzw. Akkommodation genannt wird.
Evolutionär betrachtet ist diese Fähigkeit für uns Menschen von großem Vorteil, z.B. beim Sammeln von Pflanzen oder beim Bau der Unterkunft. Für den Wolf bzw. Hund ist dies nicht von Nutzen, weshalb diese Physiologie der Scharfeinstellung beim Wolf und Hund nicht besonders gut ausgeprägt ist. Das durch die Linse einfallende Licht wird bei deinem Hund nicht punktgenau auf der Netzhaut gebündelt und es entsteht ein unscharfes Abbild. Dein Hund kann also auf kurze Distanzen kein scharfes Abbild seiner Umwelt erkennen. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, wenn wir versuchen, unter Wasser zu sehen. Hier ist das verschwommene Bild das Ergebnis, weil wir unsere Hornhaut nicht krümmen können.
Aus Sicht des Hundes – Praxistipp
Als Hundehalter ist man öfters verwundert, wenn der Hund mehrmals über einen Gegenstand schaut, es jedoch nicht findet. So ist es, dass ein kleinerer Gegenstand, der sich nicht deutlich von seiner Umgebung bildlich abhebt, z.B. ein kleiner Ball auf einer Wiese, vom Hund oftmals nicht erkannt werden kann, wenn er sich auf seine Augen verlässt, statt die Nase zu benutzen. Zur Beschäftigung kann dieser Umstand genutzt werden, indem ein Objekt vor dem Hund geworfen wird. Der Hund schaut dem Objekt nach und hat es visuell fixiert. Wendet der Hund kurz seinen Blick in eine andere Richtung (Hund kurz ansprechen), ist anschließend dieses Objekt nicht mehr visuell sichtbar, und er muss nach dem Gegenstand suchen.
Lang- und kurzschnäuzige Hunde sehen unterschiedlich scharf
Bei Tests auf die Trainierbarkeit von Hunden haben Wissenschaftler (u.a. auch Angelo Gazzano und Co-Autoren 2015) festgestellt, dass kurzschnäuzige Hunde (brachycephale Rassen) gegenüber den langschnäuzigen Rassen (dolichocephale Rasen) benachteiligt sind. Daraus wird schlussfolgernd resultiert, dass während der Selektion auf bestimmte Merkmale erhebliche morphologische Veränderungen, nicht nur bezüglich der Schädelform, sondern auch der darin befindlichen Organe, die Folge sind. So haben z.B. kurzschnäuzige Hunde, wie wir Menschen auch, einen sog. gelben Fleck auf der Netzhaut. Bei langschnäuzigen Hunden, wie bei Wölfen und vielen Beutegreifern auch, ist dieser als ein horizontaler Streifen ausgebildet, der sich über die gesamte Netzhaut zieht. Im Ergebnis sehen kurzschnäuzige Hunde nur im vorderen Gesichtsfeld (binokulares Feld) scharf, verfügen jedoch über ein präziseres räumliches Sehen. Hingegen langschnäuzige Hunde in ihrem gesamten Gesichtsfeld ein konstant scharfes Bild erzeugen. Sie haben sozusagen eine „Rundumschärfe“. (nachzulesen in „Hundeforschung aktuell“, 2019)
Das kommt den Hunden bezüglich ihrer unterschiedlichen Arbeitsweisen zugute. Zum Beispiel brauchen Hütehunde (lange Schnauze) ein rundum scharfes Bild. Im wahrsten Sinne, darf ihnen kein Schaf aus den Augen verloren gehen. Treibhunde, die bekanntlich eher einen breiten Kopf und eine kürzere Schnauze haben, benötigen für ihren Arbeitseinsatz ein perfektes dreidimensionales Bild. Ihr Focus ist direkt auf das Nutztier, welches sie vor sich her treiben, ausgerichtet. Nur so können sie Bewegungen und Tritte der Huftiere besser einschätzen und ausweichen.
Zu den kurzschnäuzigen Hunden wurden untersucht: Boxer, Rottweiler, Cano Corso, American Staffordshire, Perro de Presa Canario, Mastino Napoletano. Zu den langschnäuzigen Hunden wurden untersucht: Cerneco, Dobermann, Siberian Husky, Weimaraner, Belgian Shepherd, Akita Inu.
Erkennen von bewegten Bildern
Anders ist es bei dem Erkennen von bewegten Objekten. Da ist dein Hund im Vorteil. Dieses Sehvermögen ist besonders bei der Nahrungsbeschaffung, also das Jagen der Beute, von großem Vorteil. Wobei es egal ist, ob sich ein Objekt aus der Umwelt in Bewegung befindet oder ob sich der Hund selbst bewegt und somit ein sich bewegendes Objekt künstlich erzeugt wird.
Bewegung wird im Gehirn dadurch wahrgenommen, dass in relativ kurzer Zeit, viele einzelne Bilder verarbeitet werden. Die Menge der einzelnen Bilder innerhalb einer Sekunde wird als Bildfrequenz bezeichnet und meistens in der Einheit Herz (Hz) gemessen. Der Mensch benötigt eine Bildfrequenz von ca. 20 Bildern, um aus den einzelnen Bildern eine fließende Bewegung zu erkennen. Die ersten Stummfilme wurden z.B. mit einer Bildfrequenz von 16 Bildern ausgestrahlt. Zeichentrickfilme haben eine Bildfrequenz von 18 und um die Qualität zu heben, haben Computerspiele eine Bildfrequenz von bis zu 200 Hz, wobei hier die Anzahl der einzelnen Bilder wesentlich geringer ist, die jedoch mehrfach gesendet werden.
Der Hund benötigt für das Erkennen bewegter Objekte ca. 80 Bilder pro Sekunde, die durch die ständig veränderte Position zwischen Gesichtsfeld und Objekt im Gehirn neu verarbeitet werden. Aufgrund der hohen Bildfrequenz von 80 Bildern pro Sekunde, ist dein Hund in der Lage, kleinste Bewegungen wahr zu nehmen und diese scharf zu erkennen, dies auch auf weite Entfernungen. Dies ist u.a. auch ein Grund warum der Hund kleinste Elemente unserer Gestik und Mimik sehen kann. Es wurde festgestellt, dass der Hund im Bereich der Mikroexpression (Mikromimik) sehen kann. Unsere Hunde erkennen Sekundenbruchteile von Bewegungen, dass ist fantastisch. Beim Fernsehen hingegen, dessen Bildfrequenz niedrig ist, sieht der Hund in Zeitlupe. Vielleicht auch ein Grund, warum nicht jeder Hund interessiert in den Bildschirm schaut.
Aus Sicht des Hundes – Praxistipp
Mit diesen Fähigkeiten ist es nicht verwunderlich, dass unsere Hunde auch feinste Bewegungen in unserer Körpersprache wahrnehmen können, die uns Menschen zu oft verwehrt bleiben. Auch weit entfernte Tiere, wie Kaninchen, Katze oder Nachbars Hund werden viel schneller erkannt, als uns meistens lieb ist. Als Tipp, sollte es einmal so sein, dass beim Spazierengehen zwischen dir und deinem Hund sich mehrere Menschen befinden und dein Hund dich ab einer gewissen Entfernung nicht identifizieren kann, bewege dich intensiver, z.B. durch winkende Bewegungen, als andere Spaziergänger und dein Hund wird dich schnell wieder finden.
Sehen bei Dämmerung und Farben erkennen
Ein weiterer Vorteil deines Hundes ist seine Fähigkeit, auch bei Dämmerung sehr gut sehen zu können. Verantwortlich dafür sind seine größeren Pupillen, die mehr Licht auf die Netzhaut projiziert. Eine zusätzliche Linse hinter der Netzhaut, die „Spiegellinse“ (Tapetum lucidum) reflektiert das einfallende Licht nochmals auf die Netzhaut, so dass ein Maximum an Licht die Sehnerven aktivieren kann. Hinzu kommt eine hohe Anzahl von lichtempfindlichen Zellen, die sog. Stäbchen, die in der Netzhaut für Lichtempfindlichkeit verantwortlich sind und dafür sorgen, dass der Hund bei Dämmerung sehr gut sehen kann. Bei uns Menschen sind diese Eigenschaften nicht gut entwickelt, weshalb wir bei Dämmerung auch nicht gut sehen können. Der Hund ist allerdings mit der hohen Anzahl von Stäbchen auf seiner Netzhaut bestens für die Jagd bei Dämmerung gerüstet.
Weitere Nervenzellen auf der Netzhaut sind die sog. Zapfen, die für die Farbenerkennung und die weitere Verarbeitung zur Sehschärfe bei Tageslicht zuständig sind. Bei uns Menschen befindet sich eine starke Ansammlung dieser Nervenzellen direkt über der Einmündung des Sehnervs, also die Stelle, wo sich alle einzelnen Sehnerven vereinen und weiter zum Gehirn gelangen. Beim Hund ist nicht nur die reine Anzahl der Zapfen stark reduziert, sondern auch die Varianten der Zapfen. Das dazu führt, dass der Hund zum Einen weiter an Sehschärfe verliert und zum Anderen nicht das gesamte sichtbare Farbspektrum, wie wir Menschen, erkennen kann. Aus Sicht des Hundes heißt das, dass dem Hund lediglich Farbtöne im Bereich Blau bis Gelb zur Verfügung stehen. Demzufolge kann dein Hund keine Farben im Bereich Grün, Orange bis Rot erkennen, ersatzweise jedoch eine differenzierte Grauabstimmung, die das Erkennen von einzelnen Objekten bei Dämmerung erheblich verfeinern.
Jeder kennt es
Während wir uns mühen, bei Dunkelheit überhaupt noch etwas sehen zu können, sind wir Menschen zu Recht verblüfft, weil unser Hund signalisiert, dass am anderen Ende des Weges etwas passiert. Du kennst das doch auch! Recht hat er! Da kommt, wie aus dem Nichts, tatsächlich Nachbars Hund.
Dein Hund ist also mit besten visuellen Mitteln ausgestattet, die ihm hauptsächlich das Wahrnehmen von bewegten Objekten bei sehr wenig Licht, in einem sehr großen Blickfeld, ermöglichen.
Das Auge ist die Seele des Individuums
Das Auge ist aber auch jenes Organ, welches den inneren Zustand verrät, wie Traurigkeit, Angst, Aggression, Freude, Spaß oder auch Krankheit und Schmerz.
Auf den beiden Fotos ist Phils rechtes Auge zu sehen. Ein Bild ist kurz nach seiner Ankunft bei uns fotografiert wurden. Phil war damals ein Tierheim-Notfall. Deutlich zu erkennen die weißen Flecken auf seiner Iris, die wahrscheinlich auf eine psychosomatische Organerkrankung hindeutet. Das zweite Bild ist 2 Jahre später aufgenommen. Die weißen Flecken sind verschwunden.